Fall 4 von Dr. Riker: Homöopathie bei Schwindel… alles nur Schwindel?

Berlin, 20. Dezember 2023. Dr. med. Ulf Riker, Internist – Naturheilverfahren und Homöopathie, schreibt Fallbeispiele aus seiner Praxis für den Bundesverband Patienten für Homöopathie (BPH). So wird die homöopathische Praxis sichtbar und Patientinnen und Patienten können sich ein Bild von der Behandlung machen. Im Homöopathie Fall 4 von Dr. Riker geht es um  Homöopathie bei Schwindel… und er fragt: alles nur Schwindel?

Der 75-jährige Patient kommt gemeinsam mit seiner Frau wegen einer Erkältung in die Praxis. Er sagt, seine Nase sei komplett dicht. Während der Konsultation schnäuzt er wiederholt die Nase, wobei es sich so anhört, als wäre diese eher trocken und als käme überhaupt kein Sekret. Mit diesem Schnupfen fühle er sich noch benommener im Kopf als ohnehin schon. Auf Nachfrage sagt seine Frau, er habe seit Jahren einen Schwindel, den er manchmal als Benommenheit beschreibe. Dieser Schwindel sei teilweise so stark, dass er nicht mehr Fahrrad fahren könne, weil er das Gleichgewicht nicht mehr halten kann. Beim Autofahren hat er keine Probleme. Das Schwindelgefühl verstärkt sich deutlich beim Bücken und wenn er die Augen schließt.

Die Symptome beim Fall 4: Homöopathie bei Schwindel

Außerdem, sagt seine Frau, er sei extrem geräuschempfindlich, und zwar schon immer: wenn z.B. eine Tür zu laut ins Schloss falle könne er akut Kopfschmerz entwickeln. Gleichzeitig aber, und das sei doch komisch, sei er eigentlich eher schwerhörig… Und noch was: er sei immer so unruhig und nervös, z.B. stehe er abends beim Fernsehen immer wieder auf und gehe im Zimmer auf und ab. Außerdem falle ihr seine Ungedul“ auf: er könne nie warten und sei ganz häufig überrascht und erschrocken, wie schnell die Zeit vergangen sei und dass er doch immer noch mehr haben tun wollen als er geschafft habe. Weitere Einzelheiten: Appetit und Durst seien normal. Vor Jahren habe er wegen einer Lungenentzündung starke Antibiotika bekommen, seither leide er an Verstopfung. Er nimmt keine Medikamente, außer hin und wieder mal ein Aspirin.

Homöopathie bei Schwindel oder Erkältung?

Was soll und kann in diesem Fall besser werden? Eigentlich ist er da wegen seiner Erkältung, die sich aber nur in der verstopften Nase (und dem ständigen Schnäuzen) äußert. Mit einem einzigen und dabei noch relativ unspezifischen Symptom lässt sich eine homöopathische Arznei nicht wirklich gut begründen. Beobachten – und repertorisieren! – lässt sich nur das Phänomen, dass er ständig die Nase schnäuzt (ohne wirkliche Sekretion): Hier findet man hochwertig zwei kleine Arzneien, nämlich Sticta und Teucrium. Und unter Anderem noch eine weitere kleine Arznei aus dem Tierreich.

Wenn man seine Akut-Symptomatik nun aber einbettet in sein übriges Symptomen-Mosaik, dann können wir ein paar weitere Rubriken finden, die uns weiterhelfen:

• Starke Geräuschempfindlichkeit
• Kopfschmerz bei Geräuschen
• Schwindel schlimmer beim Schließen der Augen
• Schwindel schlimmer beim Bücken
• Gefühl, dass die Zeit zu schnell vergeht

Folgende Arzneien decken diese Symptomatik ab: Belladonna, Phosphorus, Silicea, Lachesis, Lycopodium. Dabei fällt auf, dass man diese Arzneien eigentlich nicht wirklich miteinander verwechseln kann: Das Arzneimittelbild von Silicea ist z.B. komplett anders als dasjenige von Lachesis oder Phosphorus. Hier kann also irgend etwas nicht stimmen. Informationen zu den homöopathischen Arzneimitteln erhalten Sie hier.

Die Suche nach den individuellen Symptomen

In der Homöopathie ist es besonders wichtig auf Symptome zu achten, die ungewöhnlich sind, die also voraussichtlich nicht jeder Mensch hat. Was ist in diesem Fall das Auffälligste? Schwindel schlimmer beim Schließen der Augen? Das haben Silicea, Lachesis, Sepia und andere in ihrem Mittelbild. Oder die auffallende Geräuschempfindlichkeit? Die finden wir bei Phosphorus, Natrium muriaticum, Belladonna, Sepia oder Mercurius. Oder Schwindel beim Bücken? Auch dafür lassen sich zahlreiche Arzneien finden, sodass wir am Ende wieder nicht wissen, welches nun die für unseren Patienten genau passende Arznei ist.

Aber da war doch noch etwas: der Patient ist immer wieder „überrascht und erschrocken“ darüber, wie schnell für ihn die Zeit vergeht! Das ist ziemlich eigenartig, auch wenn das für ihn ein Grundgefühl ist, das mit seiner Erkältung erst einmal gar nichts zu tun hat. Aber für diese „Fehlwahrnehmung“ gibt es eine Rubrik:

• Geist / Gemüt – Zeit – vergeht zu schnell, erscheint kürzer

Homöopathie bei Schwindel – die homöopathische Arznei ist ermittelt

Und hier stolpern wir über zwei für dieses Phänomen wichtige Arzneien: Cocculus und Theridion. Theridion ist die oben erwähnte kleine Arznei aus dem Tierreich (ständiges Schnäuzen ohne Absonderung), die Arznei bildet also sozusagen die „Brücke“ zwischen dem beschriebenen Akutsymptom einerseits und dem eigenartigen (konstitutionellen?) Symptom der zeitlichen Fehlwahrnehmung andererseits. Und – Überraschung! – auch die übrigen oben genannten Schwindel-Modalitäten sowie die starke Geräuschempfindlichkeit finden sich im Arzneimittelbild der kleinen Spinne (Westindische Feuerspinne oder auch Feuerspinne).

Das Beispiel zeigt, dass eine homöopathische Arznei in einer akuten Erkrankung, aber ebenso als „chronisches“ Mittel passen kann. Der Patient erhielt zunächst eine C 200, woraufhin die Erkältungssymptome fast schlagartig verschwanden. Zudem konnte er beobachten, dass auch der Schwindel „irgendwie besser“, aber nicht weg sei. Das chronische Symptom verlor sich nach einer Wiederholungsgabe C 1000 innerhalb von knapp zwei Wochen, und seine Frau berichtete später, dass ihr Mann insgesamt ruhiger und entspannter sei, er könne beim Fernsehen auch mal sitzen bleiben.

Informationen zur Homöopathie – nicht nur bei Schwindel