Berlin, 2. April 2024. Der Hamburger Arzt Dr. med. Mirko Berger geht in seinem Beitrag Homöopathie – Lackmustest für die wissenschaftliche Medizin auf Behauptungen über die Unwirksamkeit der Homöopathie ein. Der Bundesverband Patienten für Homöopathie (BPH) dokumentiert diesen Beitrag in vier Teilen. Wir beginnen mit: Homöopathie – Wirksam trotz unbekanntem Wirkmechanismus.
- Teil 1: Der Wirkmechanismus homöopathischer Arzneimittel ist unbekannt, er ist mit aktuellen pharmakologischen Modellen nicht plausibel erklärbar. Deshalb wird oft die Annahme abgeleitet, Homöopathie könne prinzipiell nicht wirksam sein.
- Teil 2: Die Wirksamkeit homöopathischer Arzneimittel sei nicht durch Studien belegt.
- Teil 3: Homöopathie-Studien würde nur dann positiv ausfallen, wenn methodische Standards missachten werden, sie also von schlechter Qualität sind.
- Teil 4: Es wird gezeigt, dass die Kritik an der Homöopathie in weiten Teilen nicht übliche wissenschaftliche Standards erfüllt.
Teil 1: Wirksam trotz unbekanntem Wirkmechanismus
Die Wirkung homöopathischer Arzneimittel ist mit aktuellen pharmakologischen Modellen nicht plausibel erklärbar. Ihr Wirkmechanismus ist unbekannt. Aus diesem Umstand wird die Annahme abgeleitet, Homöopathie könne schon prinzipiell nicht wirksam sein.
Plausibilität ist jedoch kein geeignetes Maß für die Beurteilung einer medizinischen Maßnahme. Vieles, was theoretisch medizinisch sinnvoll scheint, ist tatsächlich nutzlos und kann zu falschen, mitunter tödlichen Entscheidungen führen.
Plausibilität in der Evidenzbasierten Medizin
Die moderne „Evidenzbasierte Medizin“ (EbM; beweisgestützte Medizin) hat sich aus guten Gründen von Vermutungen und Hypothesen abgewandt. Sie fordert, dass sich die Beurteilung eines Medikaments auf empirische Beweise für ihre Wirksamkeit stützt – nicht auf Spekulationen, Theorien oder Expertenmeinung. Plausibilität ist zwar wünschenswert, aber nicht das entscheidende Kriterium in der EbM. Wichtiger als zu wissen wie ein Medikament wirkt, ist die Beantwortung der Frage, ob es wirkt (2-8). Zudem wäre es in höchsten Grad unethisch, nachgewiesen wirksame Medikamente aus der Versorgung auszuschließen – nur deswegen, weil ihr Wirkmechanismus nicht plausibel oder unbekannt ist.
Plausibel – aber nicht wirksam
Medizinische Maßnahmen können (scheinbar) plausibel sein, deswegen sind sie nicht zwangsläufig wirksam (3).
Beispiel:
- Es scheint schlüssig und für jeden einleuchtend, dass frühes Erkennen von Krankheiten den Behandlungserfolg verbessert und schlimme Folgen verhindern kann. Aus diesem Grund werden ärztliche Check-up Untersuchungen vielfach beworben, häufig durchgeführt, von den gesetz-lichen Krankenkassen bezahlt und ihre Durchführung sogar mit einem Bonus belohnt. Es wurde allerdings in Wirksamkeitsstudien nachgewiesen, dass Gesundheitsuntersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten wirkungslos sind und keinen Nutzen haben. Weder werden z.B. Herz-Kreislauferkrankungen, Krebs oder Todesfälle insgesamt verhindert (9).
Auf Plausibilität zu setzten kann tödlich sein
Bei der Beurteilung von Medikamenten vor allem Hypothesen über deren Wirk-mechanismus zu vertrauen, anstatt ihre tatsächliche Wirksamkeit zu prüfen, kann nicht nur nutzlos sein, siehe oben, sondern mitunter fatale Folgen haben. Auch in jüngster Zeit wurden Pharmaka vor allem deswegen zugelassen, weil ihr Wirkprinzip einleuchtend und plausibel erschien. Bis Wirksamkeitsstudien mit relevanten Endpunkten ans Licht brachten, dass sie nicht nur unnütz, sondern mitunter tödlich sind (3, 6).
Beispiele:
- Ein erhöhter Cholesterinspiegel gilt als Risikofaktor für die Entwicklung von Herz-Kreislauf-erkrankungen. Trotz effektiver Senkung durch den vielfach verordneten Wirkstoff Clofibrat zeigten später durchgeführte Wirksamkeitsstudien, dass die Behandlung mit einer erhöhten Sterblichkeit einhergeht (3, 6).
- Nach einem Herzinfarkt ist die Gefahr groß, dass potentiell tödliche Herzrhythmusstörungen auftreten. Bestimmte Medikamente sind in der Lage diese wirksam zu verhindern (sog. Antiarrhythmika, z.B. der Wirkstoff Flecainaid). Weil es plausibel erschien, dass durch diese Medikamente der Herztod durch Rhythmusstörungen verhindert werden kann, wurden sie zugelassen und weitverbreitet angewandt. Bis sich in Wirksamkeitsstudien herausstellte, dass ihre Anwendung zwar die Rhythmusstörung verhindert, aber auch zu deutlich mehr Todesfällen führte. Fachleute gehen davon aus, dass zehntausende herzkranke Menschen durch den Einsatz dieser Antiarrhythmika vorzeitig gestorben sind (3, 6, 10).
Unbekannter Wirkmechanismus – nicht nur in der Homöopathie
Die Wirkweise ist für etliche, vielfach verordnete Medikamente ebenfalls unbekannt. Dennoch sind zugelassen und werden häufig verschrieben. Wegen des unbekannten Wirkmechanismus selektiv nur homöopathische Arzneimittel abzulehnen, bedeutet mit zweierlei Maß zu messen. Das ist wissenschaftlich unseriös.
Beispiele:
- Lange Zeit wurde angenommen, dass die sog. Serotoninmangelhypothese die Wirkung von Antidepressiva erklärt. Diese Theorie hat sich als falsch herausgestellt. Der tatsächliche Wirkmechanismus ist unbekannt (11).
- Gleiches gilt für die bei ADHS eingesetzten sog. Stimulantien, z.B. der Wirkstoff Methylphenidat (Markenname z.B. Ritalin). Die Arzneimittel haben eine stimulierende Wirkung. Warum sie bei dem mit Überaktivität einhergehenden Krankheitsbild dämpfend wirken, ist unbekannt (12).
- Sogenannte SGLT-2 Hemmer (Markenname z.B. Forxiga) wurden ursprünglich zur Behandlung des Diabetes mellitus zugelassen. Weitere Studien zeigten unerwartet einen positiven Effekt bei Herzschwäche (Herzinsuffizienz). Seitdem ist das Medikament auch für diese Indikation zugelassen – über den Wirkmechanismus wird spekuliert, letztlich ist er unbekannt (13, 14).
Der Zeitgeist bestimmt, was plausibel ist
Die Geschichte der Medizin hat immer wieder gezeigt, dass neue Erkenntnisse oder Methoden zunächst abgelehnt und heftig bekämpft wurden, wenn ihre Wirkweise mit dem aktuell verfügbaren Wissen nicht zu erklären war – zu Unrecht, wie Beispiele belegen (3, 15-17). Die Forderung, Homöopathie habe wegen des unbekannten Wirkmechanismus (trotz nachgewiesener Wirksamkeit) in einer wissenschaftlich orientierten Medizin nichts zu suchen und weitere Forschung sei zu unterlassen (1), ist wissenschaftsfeindlich. Wenn wir tatsächlich ausschließlich das beforschen, was mit unseren aktuellen Erkenntnissen übereinzustimmen scheint, wäre echter Fortschritt nicht möglich (18).
Beispiele:
- Ignaz Semmelweis begann um 1847 in Wien mit simplen Desinfektionsmaßnahmen, die hohe Müttersterblichkeit an Kindbettfieber zu bekämpfen. Er konnte empirische Beweise für seine Theorie vorlegen, dass Studenten, die zuvor Leichen seziert hatten, ein unbekanntes „Etwas“ auf anschließend untersuchte Frauen nach der Entbindung übertrugen. Die Existenz von Krankheitserregern war zu dieser Zeit noch unbekannt. Es gab also keine plausible Erklärung für die von Semmelweis vorgeschlagene Maßnahme der Händedesinfektion. Infolgedessen wurde seine Theorie als unwissenschaftlich und „spekulativer Unfug“ abgelehnt und Semmelweis scharf kritisiert. Heute sind Hygienemaßnahmen durch Desinfektion eine Selbstverständlichkeit und seine Arbeiten gelten in der beweisgestützten Medizin als Beispiel für die Bedeutung tatsächlicher Wirknachweise. Als „Semmelweis-Reflex“ wird eine Haltung bezeichnet, neue Erkenntnisse, auch wenn sie durch Wirknachweise gut begründet sind, reflex-artig und ohne ausreichende Überprüfung abzulehnen – nur weil sie gängigen Überzeugungen oder (Therapie-) Moden widersprechen (16).
- Die moderne Physik unterstützt die Auffassung, dass Effekte auch ohne direkten materiell wirksamen Einfluss angestoßen werden können. Physik-Nobelpreisträger Anton Zeilinger aus Wien hat mit seiner Arbeitsgruppe nachgewiesen, dass physikalische „Teilchen“ ihren (Quanten-) Zustand räumlich völlig unabhängig voneinander auf andere Teilchen übertragen können – und das unmittelbar, schneller als durch Lichtgeschwindigkeit. Zeilinger antwortet auf die Frage, was Wirklichkeit ist: „Denn es stellt sich zunehmend heraus, dass unsere Wirk-lichkeitskonzepte fundamental verkehrt sind“ (19-22).
Fazit
Nur weil wir nicht wissen, wie und warum ein Medikament wirkt, können wir nicht a priori auf seine Unwirksamkeit schließen. Es ist wissenschaftlich gut untersucht, dass der Einsatz von Maßnahmen auf der Basis von Vermutungen und Theorien häufig ohne Nutzen ist, mitunter sogar tödliche Folgen haben kann. Entscheidend ist die tatsächliche Wirksamkeit. Diese ist für die Homöopathie hinreichend belegt (siehe Teil 2).
Hinweis:
Die ausführliche Version des Beitrages und das Quellenverzeichnis finden Sie hier.
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BPH-Informationen zur Homöopathie
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- Aktuelle Informationen zur Homöopathie Forschung.
- Informationen zu homöopathischen Arzneimitteln beim BfARM
- Gesetzliche Krankenkassen und private Zusatzversicherungen, Informationen gibt es hier.
Der BPH gestaltet den Patienten-Tag auf dem Deutschen Ärztekongress für Homöopathie am 11. Mai 2024 in Lindau.