Berlin, 15. Oktober 2024. Teil II: Homöopathie im Herbst – von der Erkältung zur Grippe. In diesen Beiträgen gibt der Internist Dr. Ulf Riker –  Homöopathie, Naturheilverfahren – Tipps, wie wir die Homöopathie bei Husten und Erkältungen bis hin zur Grippe einsetzen können. Teil I des Beitrags lesen Sie hier.

In Teil I von Homöopathie im Herbst – von der Erkältung zur Grippe gaben wir den Hinweis, dass ein Erkältungsinfekt oder auch eine „Grippe“ nicht immer ein statisches Krankheitsbild zeigt, sondern sich dynamisch im betroffenen Organismus entwickelt, von der Ansteckung über erste Symptome hin zu einem Vollbild, unter Umständen zu Komplikationen und später zu einem Abklingen, wenn unser Immunsystem geleistet hat, was wir uns von ihm wünschen.

Es ist wichtig, direkt auf den Infekt zu reagieren

Wenn es uns gelingt, gleich zu Beginn des Infektes homöopathisch einzugreifen, dann kommen Arzneien wie Aconitum, Belladonna, Ferrum phosphoricum oder Gelsemium in Frage; entscheidend für die Arzneiwahl sind das Tempo der Krankheitsentwicklung und die im Vordergrund stehenden Symptome.

Eine weitere wichtige Entscheidungshilfe bei der Auswahl einer geeigneten Arznei ist die Frage: welche Symptomatik steht ganz im Vordergrund oder ist die am stärksten beeinträchtigende? In Frage kommen unter anderem

  • Schleimhäute der Augen oder der oberen Atemwege (Schnupfen)
  • Schleimhäute der unteren Atemwege (Husten, Heiserkeit, Auswurf)
  • Kopf- und Gliederschmerzen (häufig bei Virusinfekt, Influenza)
  • Magen-Darm-Symptome / Übelkeit
  • Herz-Kreislauf-Symptome
  • Fieber- und Frost-Symptome
  • Begleitsymptome (z.B. Lippenherpes, Nasenbluten, Überempfindlichkeit gegen Außenreize, Unruhe, Reizbarkeit, Betäubung, Schläfrigkeit)

Einige dieser Symptome können auf besonders schwere Verläufe oder Komplikationen hinweisen, sodass es in jedem Fall sinnvoll und wichtig ist, eine/n qualifizierte/n Behandler/in (Mediziner, Heilpraktiker) zu Rate zu ziehen.

Teil II: Homöopathie im Herbst – die Globuli

Bryonia – Zaunrübe

Bei Bryonia stehen fast immer zwei Symptomaspekte im Mittelpunkt: ein heller, stechender Schmerz sowie großer Durst. Der Schmerz kann im Kopf oder in der Brust lokalisiert sein, dabei wird er immer schlimmer bei der geringsten Bewegung, was dazu führt, dass der betroffene Patient jede Bewegung (des Kopfes, des ganzen Körpers, sogar die Atembewegung) vermeiden möchte. Dem großen Durst entspricht das ausgeprägte Gefühl von Trockenheit auf den Schleimhäuten, diese Trockenheit findet sich aber auch in den Bronchien, sodass auch der Husten so gut wie immer rocken (und ohne Auswurf) ist. Achtung: der große Durst auf große Mengen kalter Getränke kann zu Verwechslungen mit Phosphorus führen! Auch emotional besteht „Trockenheit“: der Patient ist gereizt, Späße sind unerwünscht, er will seine Ruhe und am besten alleine gelassen werden (Achtung: Phosphorus wünscht Nähe und Zuwendung und reagiert eher ängstlich auf Alleinsein).

Nux vomica – die Brechnuss

Ähnlich gereizt wie Bryonia erscheint Nux vomica. Nachts (und an frischer Luft) ist die Nase verstopft, tagsüber (und im warmen Raum) fließt der Schnupfen. Im Mittelpunkt steht ein massives Kältegefühl, Patienten decken sich bis zur Nase zu, selbst das Anheben der Decke oder Bewegung unter der Decke lösen Frostschauer aus. Bereits Trinken kann zu Schüttelfrost führen. Die allgemeine Überempfindlichkeit auf Außenreize zeigt sich auch in starker Empfindlichkeit gegen den geringsten Luftzug.

Arsenicum album – Weißes Arsenik

Arsenicum album ist ähnlich kälteempfindlich wie Nux vomica. Allerdings steht jetzt eine ängstliche Ruhelosigkeit im Mittelpunkt der emotionalen Symptomatik, die dazu führen kann, dass Betroffene äußerst anspruchsvoll sein können hinsichtlich dessen, was sie sich von den Pflegenden erwarten: auf keinen Fall weggehen! Absonderungen aus den Schleimhäuten (Schnupfen) sind wässrig und machen rasch die umgebende Haut wund. Im Gegensatz zur allgemeinen Frostigkeit empfinden Betroffene ein inneres Brennen (z.B. auf den Schleimhäuten), und dieses Brennen wird – paradoxerweise – besser durch heiße Anwendungen (z.B. Auflagen, Baden).

Rhus-toxicodendron – Giftsumach

Ursache für ein Rhus-toxicodendron – Bild ist meist feuchtkaltes Wetter, und neben den Schleimhautsymptomen (Wundheit, Heiserkeit, reichlich übelriechender Schleim) stehen Glieder- bzw. Knochenschmerzen im Mittelpunkt, die in Ruhe (nachts) schlimmer und bei (fortgesetzter) Bewegung besser werden. Die Spitze der belegten Zunge kann auffallend gerötet sein. Manchmal beschreiben Betroffene ein Gefühl von Steifigkeit bei den Schmerzen, z.B. im Rücken. Das Auftreten von Herpesbläschen an den Lippen im Fieber kann auf diese Arznei hinweisen (ähnlich: Natrium muriaticum)

Eupatorium perfoliatum – Wasserhanf

Eupatorium perfoliatum hat massive Kopf-, Glieder- und Rückenschmerzen, die noch über das hinausgehen, was wir bei Rhus toxicodendron kennen. Im Gegensatz zu jener Arznei finden wir jetzt Verschlimmerung der Schmerzen bei Bewegung. Patienten beschreiben ihren Schmerz oft, als wären Gelenke verrenkt oder Knochen gebrochen. Ein Schüttelfrost breitet sich meist vom Rücken über den ganzen Körper aus, und auffälligerweise beginnt der Frost oft morgens. Außerdem: sogar die Augäpfel können schmerzen, und das Auftreten von Übelkeit mit Galleerbrechen kann auf die Arznei hinweisen. Eupatorium ist eine derjenigen Arzneien, die besonders bei Influenza gut passen und dann die Symptome lindern kann.

Baptisia – Blaue Färberhülse

Bei Baptisia ist der rasche Grippebeginn kombiniert mit einem raschen und bedrohlichen Übergang in einen Zustand, in dem der Patient benommen und teilnahmslos wirkt. Das hohe Fieber ist verbunden mit dunkelroter Gesichtsfarbe, und Patienten dösen sogar beim Sprechen ein. Ein auffallend übler Geruch aus Mund und Rachen kann auf Baptisia zusätzlich hinweisen, ebenso das manchmal geäußerte Empfinden, die Körperteile seien abgetrennt und lägen verteilt im Bett herum. Es ist naheliegend, dass bei einem solchen Krankheitsbild auf Grund der offenkundigen Schwere ein Arzt hinzugezogen werden sollte.

In einer besonders gut ausgestatteten homöopathischen Hausapotheke findet sich vielleicht auch Pyrogenium, eine sogenannte Nosode. Die Arznei passt, wenn im Fieber neben großer Ruhelosigkeit das auffallende Symptom auftritt, dass der Puls langsamer wird, je höher die Körpertemperatur ansteigt (meist ist es ja gerade umgekehrt). Die Unruhe ist dabei keine ängstliche wie bei Arsenicum album, sondern eine körperliche mit ständiger zappeliger Bewegung.

Wir empfehlen weiterführende Literatur

Die Auswahl der genannten Arzneien ist nicht vollständig. Deshalb empfiehlt es sich, gute Basisliteratur (siehe bei den Ratgebern) zur Verfügung zu haben und sich in gesunden Tagen bereits darin zu üben, die individuellen Mosaike bestimmter Arzneimittelbilder zu verinnerlichen. Dabei kann helfen, sich wie mit einem Baukasten Krankheitssituationen und die entsprechend passenden Arzneien übungshalber immer wieder „zusammen zu basteln“, denn es ist wie in der Musik: wenn sie eine bestimmte Melodie mehrmals gehört haben und wissen, von wem sie ist, dann werden sie diese Melodie beim Hören immer rascher wiedererkennen: bereits nach wenigen Tönen und deren charakteristischer Abfolge erkennen sie z.B. die „Kleine Nachtmusik“ und wissen sofort, dass es sich um Mozart handelt. Ähnlich können Sie unter Umständen Nux vomica oder Eupatorium perfoliatum sehr rasch wiedererkennen, wenn sie die „Melodie“ der Arznei schon mehrfach „gehört“ haben.

Autor: Dr. med. Ulf Riker, Internist / Homöopathie & Naturheilverfahren, München / Teil II: Homöopathie im Herbst

Weitere Informationen zur Homöopathie

In der Rubrik „Behandlung“ der BPH-Webseite finden Sie viele weitere Informationen über die Selbstmedikation und die Beschreibungen von Arzneimitteln und Erkrankungen. Hier wird auch beschrieben, wie eine professionelle homöopathische Behandlung funktioniert.

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BPH-Broschüre Homöopathie to go / Teil II: Homöopathie im Herbst

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