Welche Angebote und Informationsbedürfnisse zum Thema Komplementärmedizin in der Krebsbehandlung liegen gegenwärtig vor und auf welchen Wegen kann fundiertes Wissen bestmöglich an Patienten, Therapeuten und Berater weitergeben werden? Mit diesen Fragen befasst sich das interdisziplinär zusammengesetzte Verbundprojekt KOKON („Kompetenznetz Komplementärmedizin in der Onkologie“) der Deutschen Krebshilfe, das die Organisation mit 2,5 Millionen Euro fördert und das Mitte Juni gestartet ist. Es läuft 36 Monate. „An KOKON beteiligen sich die Universitätsmedizin Rostock, die Universitätsklinik Hamburg Eppendorf, das Klinikum Nürnberg, die Charite Berlin, die Universitätsklinik Frankfurt/Main und die Klinik für Tumorbiologie Freiburg“, berichtete das Deutsche Ärzteblatt am Dienstag.
Neue Strategien in der Krebstherapie
„60 bis 80 Prozent der Krebspatienten wollen durch ergänzende Maßnahmen zur eigenen Heilung beitragen“, erklärt Dr. med. Hans Lampe, Facharzt für Innere Medizin an der Medizinischen Klinik III der Universität Rostock. Als ergänzende Therapiemaßnahmen wünschen sich viele Patientinnen und Patienten Methoden der Komplementärmedizin: Mistelpräparate, Homöopathie, Nahrungsergänzungsmittel oder Vitamine. Doch oft wird darüber mit dem behandelnden Arzt nicht gesprochen. „Diese Mittel schwächen teilweise die Wirkung der Chemotherapie ab, können sie – richtig genutzt – aber auch verstärken“, weiß Dr. med. Lampe. „Es gibt kein Mittel, das immer gut oder schlecht ist. Wir Ärzte müssen dies offen ansprechen, denn manche alternativen oder ergänzenden Wirkstoffe können die Therapie auch negativ beeinflussen.“ Doch es gibt auch positive Impulse durch komplementäre Verfahren, zum Beispiel durch Sport, Naturheilstoffe, Meditation und Entspannungstechniken. „Wenn Patienten ihren Umgang mit der Erkrankung verändern, kommen sie meist besser durch die schwierigen Zeiten der Diagnose und Therapie“, sagt der Krebsexperte.
Das Thema „Integrative Onkologie“ ist derzeit in aller Munde. Schwerpunkt der diesjährigen DGHO-Frühjahrstagung war die Integrative Onkologie. Ärzte kombinieren hier wissenschaftlich fundierte Naturheilkunde mit klassisch-schulmedizinischen Therapieverfahren. Anfang Februar fand in Berlin der 1. Kongress „Integrative Therapie des Mammakarzinoms“ statt, auf dem Fragen zur Misteltherapie, Psycho-Onkologie, Hyperthermie, aber auch Aspekte der Spiritualität und Achtsamkeit diskutiert wurden. Und nun fördert die Deutsche Krebshilfe mit 2,5 Mio. Euro ein anspruchsvolles Verbundprojekt, welches Angebote und Informationsbedürfnisse zum Thema Komplementärmedizin in der Krebsbehandlung wissenschaftlich evaluiert. Ziel des Großprojektes ist es, eine nutzerfreundliche Plattform für Patienten, Pflegekräfte und Ärzte zu schaffen, um Informationen im Bereich der Komplementärmedizin zu sammeln und weiterzugeben. Die Deutsche Krebshilfe verspricht sich von diesem Vorhaben eine wissenschaftlich fundierte Analyse der gängigen Methoden und Konzepte der Komplementärmedizin in Deutschland, von der Betroffene und Behandelnde gleichermaßen profitieren.
Durch das Forschungsprojekt „KOKON“ sollen deutschlandweit für die Komplementärmedizin gesicherte Standards für Information und Beratung bereitgestellt werden. „Wir wollen verlässliche Informationen und Weiterbildungsangebote für Patienten, Ärzte und Pflegekräfte in der Onkologie“, beschreibt der Sprecher des Gesamtprojektes, Dr. Markus Horneber, Arzt an der Klinik für Onkologie und Hämatologie des Klinikums Nürnberg, das Forschungsziel.
Homöopathie bei Krebserkrankungen
„Viele Patienten mit Krebserkrankungen entscheiden sich für eine begleitende klassische homöopathische Therapie“, berichtet der Wissenschaftsblog „Informationen zur Homöopathie“. Was unter einer homöopathischen Krebstherapie zu verstehen ist, das beschreibt der Facharzt Dr. med. Robert Ködel in seinem Fachbuch „Homöopathie in der Krebstherapie“ (Hippokrates, 2009). Nach Einschätzung von Ködel entscheiden sich Patienten besonders dann für eine begleitende homöopathische Behandlung, wenn es zu einem Rezidiv (Rückfall, Wiederauftreten) kommt, die Erkrankung trotz konventioneller Therapie weiter fortschreitet oder als „austherapiert“ gilt. Nach Einschätzung von Univ.-Prof. Dr. Michael Frass können Patienten in allen Tumorstadien von einer begleitenden homöopathischen Behandlung profitieren. „Ich empfehle einen frühzeitigen Einsatz der Homöopathie, möglichst gleich nach Diagnosestellung. Aber selbstverständlich lässt sich auch bei fortgeschrittener Erkrankung und im Endstadium viel erreichen. Beispielsweise kann Patienten der Todeskampf erleichtert oder die Angst vor dem Sterben genommen werden“, so der Facharzt für Innere Medizin und Internistische Intensivmedizin gegenüber SpringerMedizin.at.
Forschungsbedarf
Bisher gibt es nur wenige hochwertige und systematische Studien, welche die Wirksamkeit der Homöopathie in der begleitenden Krebstherapie untersucht haben. Eine Erklärung dafür ist, dass es keine universitären Einrichtungen für Homöopathie gibt, die entsprechende Studien realisieren können. Darüber hinaus gibt es nur ein geringes wirtschaftliches Interesse, wissenschaftliche Arbeiten zu diesem Thema zu finanzieren. Homöopathie lässt sich schließlich weder patentieren noch als medizinische Innovation mit hohen Margen vermarkten. Beides zusammen führt zu einem Henne-Ei-Problem: Weil es im Vergleich zur konventionellen Medizin nur relativ wenige Studien mit heterogenen Ergebnissen gibt und die Homöopathie vom Mainstream der Medizin als „unplausibel“ eingestuft wird, wollen Universitäten das Therapieverfahren auch nicht erforschen. Weil die Homöopathie nicht systematisch erforscht wird, gibt es auch nur relativ wenige Studien. Eine interessante homöopathische Krebsstudie publizierte 2011 allerdings das Journal BMC Cancer. Dr. med. Matthias Rostock, Oberarzt am Institut für Naturheilkunde des Universitäts-Spitals Zürich, und Kollegen gingen in ihrer Studie der Frage nach, wie die Effekte einer homöopathischen Krebstherapie unter realen Praxisbedingungen aussehen. Der Wissenschaftsblog „Informationen zur Homöopathie“ zieht folgendes Fazit:
„Dies ist die weltweit erste längerfristige, systematische Beobachtungsstudie zur homöopathischen onkologischen Therapie. Aus der Perspektive der Versorgungsforschung verbessert eine homöopathische Therapie bei PatientInnen mit onkologischen Erkrankungen die Lebensqualität, allerdings ist das Studiendesign der Studie nicht geeignet, die Therapieeffekte kausal der homöopathischen Arznei zuzuschreiben. Für einzelne Tumorentitäten lässt sich noch keine Aussage treffen. Patienten können davon ausgehen, dass die Homöopathie ihre Lebensqualität verbessert. Der Einfluss der Homöopathie auf das Tumorgewebe selbst wurde in der Studie nicht untersucht.“
Quellen:
Beitragsbild: ©Kompetenznetz Komplementärmedizin in der Onkologie