Berlin, 14. Januar 2025. Auch diese Bundesdelegiertenkonferenz (BDK) von Bündnis90/Die Grünen am 26. Januar 2025 in Berlin soll über das Aus der Homöopathie in der GKV abstimmen. Ein entsprechender Antrag liegt vor, der jedoch weder einen Fakten-Check stand hält noch gesundheitspolitisch durchdacht ist.

Je deutlicher Studiendaten in den letzten Jahren zeigen, dass Homöopathie eine wirksame Behandlungsmethode ist, desto intensiver werden die Attacken, die Methode aus der Medizin zu verbannen. Man möchte fragen: Wo bleibt die Wissenschaft? Wo bleibt der Bezug auf Fakten bei der aktuellen Kritik an der Homöopathie? Denn auch dieser Antrag für die BDK 25 ist nach aktuellem Stand der Wissenschaft nicht begründet.

In dem Antrag wird betont, dass „Leistungen nur dann von der Solidargemeinschaft übernommen werden, wenn sie medizinisch sinnvoll und gerechtfertigt sind und ihre Wirksamkeit wissenschaftlich erwiesen ist“. Doch warum wird der Fokus auf die Homöopathie gelegt und nicht auf die gesamte Medizin? Ein Beispiel: In Cochran-Reviews wiesen von 1.567 Interventionen lediglich 5,6 Prozent eine hochwertige Evidenz für ihren Nutzen auf. D.h., mehr als neun von zehn Maßnahmen, die in den Cochran-Reviews untersucht wurden, werden nicht durch hochwertige Evidenz gestützt.

Homöopathischen „Zubereitungen“ werden von den Antragstellern, ein Pharmazie-Student ist der Autor, per se eine wissenschaftlich nachgewiesene Wirksamkeit abgesprochen. Doch das Argument, „wo nichts drin ist, kann auch nichts wirken“ ist nur dann schlüssig, wenn man sicher davon ausgehen kann, dass biologische Prozesse ausschließlich durch materiell fassbare Wirkstoffe angestoßen werden können. Dass hoch potenzierte Wirkstoffe jedoch spezifische Effekte auslösen können, ist wissenschaftlich nachgewiesen. So belegen die Ergebnisse vieler qualitativ hochwertiger klinischer Studien, dass sie wirksam sind. Dafür sprechen auch Grundlagenexperimente.

Der Wirkmechanismus homöopathischer Arzneimittel ist noch nicht erforscht, ihre Wirksamkeit hingegen belegt.

Dünne wissenschaftliche Begründung im Grünen-Antrag

Behauptet wird in dem Antrag, „dass homöopathische Mittel keinen über den Placebo-Effekt hinausgehenden Nutzen haben.“ Als Beleg werden der Report des australischen National Health and Medical Research Councils (NHMRC, 2015) und ein Beitrag der Europäischen Akademie der Wissenschaften (EASAC, 2017) angeführt. Diese Quellen stehen wissenschaftlich auf sehr dünnem Eis und taugen nicht für eine solch weitreichende gesundheitspolitische Forderung:

  • Im Australien-Report wurden nur Studien ab einer Fallzahl von mindestens 150 Probanden und nur mit höchster methodischer Qualität berücksichtigt. Eine solche Mindestfallzahl findet sich allerdings weder in Cochrane Reviews, noch in anderen Reviews des NHMRC. Würde dieser methodische Maßstab im Bereich konventioneller Wirksamkeitsstudien angelegt, würde dies zum Ausschluss von mehr als 90 Prozent aller Studien führen. Das aus methodischer Sicht fragwürdige Vorgehen des NHMRC führte dazu, dass lediglich fünf Studien in das Endergebnis eingeflossen sind – keine dieser Studien beurteilt ein individualisiertes homöopathisches Vorgehen. Fazit der NHMRC-Direktorin, Prof. Anne Kelso, im August 2019: „ … Contrary to some claims, the review did not conclude that homeopathy was ineffective … .“
  • Das EASAC hat 2017 eine Stellungnahme zu „Homeopathic Products and Practices“ veröffentlicht. Diese Veröffentlichung ist keine eigenständige Untersuchung von primären Daten, wurde lediglich online veröffentlicht und hat keinen Gutachterprozess durchlaufen (Peer-review).  Es handelt sich nicht um eine valide Bewertung des insgesamt vorliegenden wissenschaftlichen Materials zur Frage der Wirksamkeit der Homöopathie.
Der Grüne-Antrag…
  • kritisiert, dass „homöopathische Zubereitungen häufig nicht den Standards des Europäischen Arzneibuchs erfüllen“. Das ist falsch. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) definiert homöopathische Arzneimittel: „Homöopathische Arzneimittel sind Arzneimittel, die nach einem im Europäischen Arzneibuch oder, in Ermangelung dessen, nach einem in den offiziell gebräuchlichen Pharmakopöen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union beschriebenen homöopathischen Zubereitungsverfahren hergestellt worden sind.“
  • kritisiert die Kosten, die dem Solidarsystem durch homöopathische Arzneimittel entstehen. Verschwiegen wird, dass die genannten 20 Millionen Euro lediglich 0,01 Prozent der GKV-Arzneimittelausgaben insgesamt ausmachen. Daraus die Forderung zu erheben, durch dieses Geld könnten Präventionsmaßnahme der Bevölkerung effektiver gestaltet und die Gesundheitsversorgung könne generell nachhaltig verbessert werden, zeigt die gesundheitspolitische Naivität der Antragssteller. Wie hoch sind die Kosten, wenn anstatt der homöopathischen Arzneimittel konventionelle verordnet worden wären?

Weitere Behauptung im Grünen-Antrag ist, dass durch die Homöopathie „auf wirksame Therapien“ verzichtet würden, was „potenziell lebensgefährlich“ sei. Für diese Behauptung gibt es keinerlei Belege, nicht in der Literatur, nicht bei Behörden – das ist reine Stimmungsmache. Jede medizinische Maßnahme birgt bei falschem Einsatz die Gefahr, dass Menschen zu Schaden kommen, weil andere notwendige Behandlungsmaßnahmen unterbleiben können. Das Argument der Antragssteller klingt zynisch, wenn man bedenkt, das Nebenwirkungen medizinischer Maßnahmen in den USA die dritthäufigste Todesursache sind.

Aktueller Stand der Homöopathie-Forschung

Da sich die Grünen als Partei klar zur Wissenschaft bekennen und sogar von einer „evidenzbasierten Politik“ sprechen, geben wir einen kleinen Einblick in den aktuellen Stand der Homöopathie-Forschung:

  • Universität Bern: „Fasst man den aktuellen Stand der präklinischen und klinischen Forschung zusammen, kann man schlussfolgern, dass homöopathische Präparate spezifische Wirkungen zeigen, die sich von Placebo unterscheiden, wenn sie adäquat eingesetzt werden (d. h. bei qualifizierter Verschreibung in der klinischen Anwendung und in entsprechenden präklinischen Versuchsanordnungen).
  • In einer 2023 veröffentlichen Arbeit wurden alle sechs placebokontrollierte Homöopathie-Metaanalysen (Zusammenfassungen von Studien) zu jeglicher Indikation methodisch sehr aufwendig nach aktuellen wissenschaftlichen Standards zusammenfassend ausgewertet und peer-reviewed veröffentlicht. Die Qualität der Gesamtevidenz für positive Homöopathie-Wirksamkeit in diesem systematischen Review ist ähnlich wie in systematischen Reviews zu anderen Interventionen aus einem vergleichbaren Zeitraum und eingestuft anhand desselben Bewertungsinstruments (GRADE).
  • Die Leitlinienkommission der medizinischen S3-Leitlinie „Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen PatientInnen“ hat die Homöopathie zur zusätzlichen Behandlung zur Verbesserung der Lebensqualität in der Onkologie aufgenommen, die homöopathische Therapie wird in der Leitlinie explizit als Evidenzbasierte Empfehlung eingestuft.

Fazit: Nach den Kriterien der evidenz-basierten Medizin kommen unabhängige Experten offensichtlich zu anderen Ergebnissen als die Anti-Homöopathie Antragsteller für die Bundesdelegiertenkonferenz 2025. Bei dem hohen wissenschaftlichen Anspruch, den sich die Grünen zurecht in ihrer Klima-Politik geben, sollte dieser auch in der Medizin ihr Anspruch sein.

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