Unsere Gesellschaft ist durchdrungen von Menschen mit Suchterkrankungen. So abschreckend diese These wirkt, so gut lässt sie sich anhand nackter Fakten belegen. Die gefährlichsten Suchtmittel sind die gesellschaftlich akzeptierten. Hinter jedem einzelnen Fall steht dabei ein Menschenleben, ein Lebens- und Leidensweg mit individuellen Ursachen für die Suchterkrankung.
Schluck dich sorglos! – Dieser Slogan passt sowohl auf die Alkohol- als auch auf die Pharmaindustrie in Deutschland. Denn aktuell liefern sich die Statistiken zur Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Laut „Jahrbuch Sucht 2014“, herausgegeben von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS), sind „knapp 1,8 Millionen Menschen in Deutschland alkoholabhängig“. Die volkswirtschaftlichen Kosten infolge alkoholbezogener Krankheiten belaufen sich laut DHS auf rund 27 Milliarden Euro jährlich. Dem gegenüber stehen alkoholbezogene Steuereinnahmen von nur 3,3 Milliarden Euro. Ein Beispiel: Im Jahr 2013 wurden rund 340.000 Patienten aufgrund von Alkoholmissbrauch in deutschen Krankenhäusern vollstationär behandelt. Das sind über 50.000 Patienten mehr als zehn Jahre zuvor. Für etwa 74.000 Menschen im Jahr endet ihr Alkoholkunsum tödlich. Medikamentenabhängig sind laut Schätzungen der DHS zwischen 1,5 und 1,9 Millionen Menschen in Deutschland. Die mit Abstand größte Anzahl von etwa 1,2 Millionen Suchterkrankter ist dabei abhängig von Benzodiazepinen. Diese finden sich vorwiegend in Beruhigungsmitteln (Seditiva), Schlafmitteln (Hypnotika) und angstlösenden Psychopharmaka (Tranquillizern). Häufig verordnete Benzodiazepine sind beispielsweise Lorazepam, Diazepam, Bromazepam oder Oxazepam. „Bei hohen Dosierungen können bereits drei bis vier Wochen des Medikamentenmissbrauchs in eine Hochdosisabhängigkeit führen“, warnt die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker.
Droge Nummer eins
Der Anteil der Raucher ist zwar seit einigen Jahren rückläufig, aber noch immer rauchen 34 Prozent der 18- bis 64-jährigen Männer und 26,2 Prozent der 18- bis 64-jährigen Frauen. Damit bleibt Tabak das Suchtmittel Nummer eins und fordert pro Jahr rund 110.000 Todesfälle. Hinzu kommen laut einer Schätzung des Deutschen Krebsforschungszentrums etwa 3.300 Todesfälle durch Passivrauchen. Rauchen ist ein vermeidbarer Risikofaktor für über 40 chronische Erkrankungen, vor allem Lungenkrankheiten, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Krebs. Dennoch wird das Rauchen von gesetzlichen Krankenversicherungen als „Lifestyle-Problem“ aufgefasst und nicht als ernst zu nehmende Suchterkrankung. Entwöhnungswillige Raucher warten bis heute vergeblich auf eine von den Kassen bezahlte Therapie. In Ländern wie Großbritannien, Schweden und Finnland ist das längst umgesetzt.
Legal versus illegal
Im Vergleich zum laut DHS „garantiert tödlichem Mix“ aus Alkohol und Tabak nehmen illegale Drogen eine eher randständige Position bei den Suchterkrankungen ein. Marlene Mortler, Drogenbeauftragte der Bundesregierung, gibt an, dass etwa 600.000 Personen in Deutschland einen missbräuchlichen oder abhängigen Cannabiskonsum bei Suchterkrankungen aufweisen. Schätzungen zufolge konsumieren insgesamt etwa 200.000 Personen in Deutschland illegale Substanzen (ohne Cannabis) risikoreich, die Mehrheit davon injiziert Heroin. Im Jahr 2013 starben in Deutschland 1.002 Menschen durch den Konsum illegaler Drogen.
Wann beginnt eine Suchterkrankung?
Ärzte nutzen sechs Kriterien, um festzustellen, ob ein Mensch suchtkrank ist. Sie gelten für alle legalen wie illegalen Drogen und stehen in der „Internationalen Klassifikation psychischer Störungen“, dem ICD 10. Wenn drei dieser Kriterien innerhalb eines Jahres erfüllt werden, gilt der Patient aus medizinischer Sicht als suchtkrank. Dazu gehören:
- der starke Wunsch oder Zwang eine Substanz zu konsumieren,
- die Steigerung der Dosis aufgrund einer Toleranzentwicklung,
- der Kontrollverlust in Bezug auf die Einnahme,
- Entzugserscheinungen bei Abstinenz oder Reduzierung,
- Vernachlässigung von sozialen Kontakten,
- die Fortsetzung des Konsums, obwohl gesundheitliche Folgen schon offensichtlich sind.
Lesen Sie im Interview mit Dr. med. Otto Ziehaus, wie die Homöopathie helfen kann, Suchtpatienten erfolgreich zu therapieren und die Ursachen einer Suchterkrankung ausfindig zu machen.
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