von Michèl Gehrke, M.A.:

© Carstens-Stiftung : Natur und Medizin, Quelle: carstens-stiftung.deEine aktuelle, methodisch hochqualitative Studie zeigt Wirksamkeit von individualisierter Homöopathie bei Probanden mit Schlafproblemen.

Mit Insomnie werden Schwierigkeiten beim Ein- oder Durchschlafen, Schlafprobleme an mindestens drei Nächten in der Woche oder solche Schlafstörungen bezeichnet, die Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit am Tage nach sich ziehen. Diese Beschwerden sind weit verbreitet, je nach Quelle leiden 6-18% der Bevölkerung darunter. Das ist besonders prekär, weil Schlafstörungen nicht nur die Lebensqualität verringern, sondern auch das Risiko für bestimmte Erkrankungen wie etwa Depressionen oder Angststörungen erhöhen. Die Ursachen sind vielfältig. So können vorliegende psychische oder anderweitige Erkrankungen, aber auch Nebenwirkungen von Medikamenten die Schlafqualität beeinflussen. Zur Behandlung häufig eingesetzt werden Schlafmittel (Hypnotika), die zwar durchaus wirksam, aber auch reich an Nebenwirkungen sein können und ein gewisses Suchtpotenzial aufweisen. Darum und gerade auch wegen der vielfältigen Ausprägungen der Insomnie könnte die Homöopathie eine geeignete Behandlungsmethode darstellen. Um dies zu prüfen, wird in einer aktuellen Studie eine individualisierte homöopathische Behandlung einem Placebo gegenübergestellt.

Aus insgesamt 174 in Frage kommenden Patienten wurden 60 Probanden ausgewählt, sowohl Männer als auch Frauen zwischen 18-65 Jahren, die unter chronischer Schlafstörung litten. 30 Probanden wurden nach dem Zufallsprinzip der Homöopathie-Gruppe und die anderen 30 der Placebo-Gruppe zugeteilt. Beide Gruppen waren zu Beginn der Studie vergleichbar hinsichtlich des durchschnittlichen Alters und der Verteilung auf Altersgruppen, der Geschlechterverteilung, des Wohnsitzes (städtisch oder ländlich), der Dauer ihrer Beschwerden, ihres Ernährungsverhaltens (vegetarisch oder nicht), der Risikofaktoren, der bisherigen Behandlungsversuche, des BMI, des Familienstandes, Bildungsstandes, Erwerbsstatus und Familieneinkommens. Die Probanden in beiden Gruppen wurden gebeten, ein Schlaftagebuch zu führen und darin sechs Faktoren zu notieren:

  1. Die benötigte Zeit bis zum Einschlafen.
  2. Wieviele Minuten sie in der Nacht wach lagen.
  3. Wieviele Minuten sie zu früh aufwachten.
  4. Wieviele Stunden sie im Bett verbrachten.
  5. Die Gesamt-Schlafzeit in Stunden.
  6. Die Effizienz des Schlafes.

Außerdem wurde der sogenannte Insomnia Severity Index (ISI) herangezogen, ein Fragebogen mit sieben Fragen, die Auskunft über die Wahrnehmung der Beschwerden durch die Probanden geben sollen. Beide Gruppen wurden gleichermaßen zu guter Schlafhygiene angehalten, sollten das Bett während der Studie ausschließlich zum Schlaf nutzen, regelmäßige Schlafzeiten einhalten, Nickerchen nach 15 Uhr vermeiden und kein Koffein nach der Mittagszeit zu sich nehmen.

Die Probanden in der Homöopathie-Gruppe erhielten jedoch – angepasst an ihre Symptome, Konstitution, Vorgeschichte etc. – eine homöopathische Behandlung, bei der sie hochpotenzierte Präparate in individueller Dosierung einnahmen. Die am meisten eingesetzten Mittel waren dabei Natrium muriaticum, Nux vomica, Calcium carbonicum, Lycopodium clavatum, Mercurius solubilis, Phosphorus und Sulphur mit je vier Verschreibungen sowie Pulsatilla pratensis, Sepia succus und Thuja occidentalis mit je drei Verschreibungen. Die Probanden in der Placebo-Gruppe erhielten ein in der Erscheinung gleiches, aber substanziell unwirksames Präparat. Weder die Probanden, noch die Verabreichenden wussten vor Ablauf der Studie, welcher Gruppe sie zugeteilt waren bzw. ob es sich um ein homöopathisches Präparat oder Placebo handelte. Die Dauer der Studie betrug insgesamt drei Monate, die Werte aus dem Schlaftagebuch und dem ISI wurden zu Beginn und am Ende der Studie verglichen.

Beide Gruppen erreichten eine signifikant höhere Punktzahl im ISI. Innerhalb der Homöopathie-Gruppe hatten sich nach drei Monaten jedoch zusätzlich alle im Schlaftagebuch festgehaltenen Faktoren bis auf einen (3. Minuten zu früh aufgewacht) signifikant verbessert. In der Placebo-Gruppe zeigte sich hingegen lediglich für einen Faktor eine signifikante Verbesserung (6. Effizienz des Schlafes), aber nicht für die übrigen fünf. Besonders deutlich wurde der Vorteil der homöopathischen Behandlung im Gruppenvergleich: in den Punkten 4 (Stunden im Bett verbracht), 5 (Gesamt-Schlafzeit in Stunden) und 6 (Effizienz des Schlafes) übertrafen die Effekte in der Homöopathie-Gruppe diejenigen der Placebo-Gruppe signifikant.

Einschätzung

Eine große Stärke der vorliegenden Arbeit ist die methodische Qualität in Form einer doppelblinden, randomisierten, placebokontrollierten Studie mit zwei parallelen Armen. Lediglich fünf Teilnehmer (zwei aus der Homöopathie- und drei aus der Placebo-Gruppe) brachen die Studie vorzeitig ab, die fehlenden Werte wurden jedoch statistisch berechnet, sodass die Daten aller 60 Patienten berücksichtigt werden konnten (sog. Itention to Treat-Analyse).
Dennoch ist die Probandenzahl relativ gering, gleiches gilt für die Dauer der Studie. In zukünftigen Untersuchungen sollte beides erhöht werden, um noch belastbarere Ergebnisse zu erhalten.
Diese erste Studie deutet jedenfalls darauf hin, dass Homöopathie bei Schlafstörungen eine wirksame Alternative zu den häufig eingesetzten, risikobehafteten Hypnotika sein kann.

Literatur

James Michael, Subhas Singh, Satarupa Sadhukhan, Arunava Nath, Nivedita Kundu, Nitin Magotra, Susmit Dutta, Maneet Parewa, Munmun Koley, Subhranil Saha: Efficacy of individualized homeopathic treatment of insomnia: Double-blind, randomized, placebo-controlled clinical trial. In: Complementary Therapies in Medicine Volume 43, April 2019, Pages 53-59. Abstract

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